Texte zur Reformation 2.0: Kirche in der Freiheit
Für Christen die sich entschieden haben in die Freiheit des Evangeliums zu kommen, bedeutet es, daß sie nicht länger geknechtet sind von gesellschaftlichen oder kirchlichen Institutionen, die von Rechten und Pflichten zusammengehalten werden. Stattdessen sind sie frei, Jesus zu folgen und Ihm zur Seite zu stehen beim Gründen Seiner Herrschaft auf Erden, nicht aus Zwang oder Verpflichtung, denn die Kirche der Zukunft wird eine Kirche in der Freiheit sein.
„95% der Christen leben im Altent Testament“, las ich mal. Viele gehen am Gängelband der Regeln, oder verstecken sich hinter Entscheidungen und Verantwortlichkeiten anderer. Stellen wir uns vor, daß in den Kirchen und auch in den sogenannten „freien“ Gruppen, alle Gesetze, feste Vorschriften, übliche Formen und Gewohnheiten auf einmal wegfallen würden. Was würde dann geschehen? Verwirrung und hilflose Unwissenheit, was zu tun ist. Sind wir uns aber bewusst, daß gerade das vor 2000 Jahren geschehen ist, als Jesus für unsere Freiheit mit seinem Blut und Leben bezahlt hat? Das Einzige Gesetz, das seitdem gilt, ist das Gesetz der Freiheit in Liebe. „Lasst euch nicht wieder ein Sklavenjoch auflegen“, wagt Paulus zu schreiben, „denn wenn ihr auf einen Punkt (er erwähnt dann die Beschneidung) euch wieder unter das Gesetz stellt, müsst ihr wieder dem ganzen Gesetz nachkommen. Dann seid ihr aber los von Christus und außerhalb der Gnade“ (Gal. 5, 1-4). Das ist nicht ohne! „Alles ist erlaubt, auch wenn nicht alles nützlich ist“, sagte er noch (1 Kor.6,12 u. 10,23). Es scheint also leicht zu sein, es ist aber eine riesige Herausforderung. Niemand anders kann sagen, wie wir leben müssen um die tiefste Veranlagung, die Gott in uns hineingelegt hat, zur Entfaltung zu bringen. Das ist eine Angelegenheit zwischen Gott und unserm Gewissen. Selbst dürfen wir frei und kreativ aus unserem Leben etwas machen nach eigenen Möglichkeiten und Beschränkungen. Freiheit ist eine Herausforderung, denn sie bedeutet eigene Verantwortlichkeit für all unseren Taten. „Wer so allein in der Welt stehen kann, und nur sein Gewissen zu Rate zieht, der ist ein Held“, schrieb jemand mal. Leider haben die meisten Leute Angst vor der Freiheit, weil sie Angst vor Verantwortung haben. Darum wurde die Freiheit, die Jesus uns gebracht hat, bald wieder auf bürgerliche und kirchliche Behörden abgeschoben, die diese recht gern wieder zu sich gezogen haben, um selbst die Sachen anzuordnen. Und gefangen von Platzangst legt man sich selbst doch lieber fest und versichert sich wieder mit den Scheinsicherheiten die uns wohl bekannt sind. Um eine freie Kirche Jesu zu werden, muss unsere Versicherungsleidenschaft ans Kreuz geschlagen werden.
Jesus hat eine Kirche vor Augen, die frei in der Welt stehen wird, die nicht subventioniert wird und die nicht länger der Gesellschaft, oder dem Staat hörig ist. Diese freie Kirche der Zukunft beginnt bei jedem einzelnen Christen, der anfängt frei zu sein. Und diese Kirche ist schon da, sie ist im Kommen, wie Jesus im Kommen ist. Immer öfter begegne ich solchen Leuten, einzelnen aus allerlei kirchlichen und unkirchlichen Ecken und Winkeln: geistliche Wanderer, die, durch welche Umstände auch immer, auf die Suche gegangen sind und gut bei Jesus angekommen sind. Es werden immer mehr. Es scheint, wie wenn es in der Luft liegt, nicht organisiert nicht ausgelöst oder wie verabredet, sondern aus einem inneren Antrieb heraus. Es ist dem Vogelzug im Herbst ähnlich. Eine ähnliche Unruhe spüre ich unter Christen und doch für jeden Menschen wieder anders. So wird nach und nach ein ganzes Netzwerk der Christen sichtbar, die ihren eigenen Weg mit Jesus suchen… und finden. Viele kennen einander quer durch alle christlichen Kirchen und Gemeinden hindurch als eine Gemeinschaft der Brüder und Schwestern, ohne Organisationsformen, aber hier gegenwärtig. Diese Einzelnen sind nicht ohne Zusammenhang, auch keine sektiererische Gruppe die ihr eigenes Christentum macht. Durch einen Geist der alle antreibt, erkennen sie einander sogleich. Persönliche Begegnungen in diesem Netzwerk können zu kleinen, lebenden Kernen auswachsen, zu Hausgemeinden, wie in den Tagen des Paulus, nicht damit die Mitglieder sich wieder aneinander lehnen und wieder Konsum- Christen werden, sondern um einander zu bereichern, zu inspirieren und so die Liebe Christi auszustrahlen, „sodass die Welt sehe daß wir seine Jünger sind“ (Joh.13,35). Nur ist es zu hoffen, daß eine solche Bewegungs Gottes nicht wieder in Organisationen und Tagungen endet. Denn da rührt sich wieder der menschliche Organisationsdrang und da verschwindet der Heilige Geist leise und unbemerkt durch die Hintertür. Auch unsere Organisationsleidenschaft muss ans Kreuz geschlagen werden.
Diese Kerne werden gesund bleiben, solange Jesus der einzige Führer ist: „So baut der Leib Christi sich selbst von innen auf in der Liebe,“ Jeder Christ und jeder Kern mit seiner eigenen Gabe. „Zusammen ein Geist und ein Leib, nicht länger uneinig, hin und her geschleudert von allerlei unterschiedlichen Lehren, sondern auf Christus, unser Haupt, hinzuwachsend“. (Eph. 4,7-16).
Die Zeit wird jetzt hereinbrechen, in der der Leib Christi mehr organisch als organisiert aufgebaut wird. Der unfreie heutige Mensch fühlt sich ohne Organisationsformen völlig hilflos und ohnmächtig. Aber inzwischen kommt auch durch ganz Europa hindurch ein Volk in Bewegung. Jesus nannte dieses einmal: „eine Liebesgemeinschaft, die strahlt wie der Mond am nächtlichen Himmel.“
Bildung und Begleitung werden dabei sein, die vor allem persönlich und in kleinem Umfang geschehen müssen, und zwar von einzelnen Personen die selbst die Nachfolge Jesu wahr gemacht und den Preis dafür bezahlt haben; nicht von Leuten, die nur theoretische Kenntnisse oder menschliche Fähigkeiten besitzen, wie Organisieren oder Reden. Das Neue Testament bietet andere Funktionen dar: die der Apostel, der Propheten, der Evangelisten, der Hirten und der Lehrer, nicht als natürliche menschliche Fähigkeiten, auch nicht von Menschen ausgeteilt, sondern vom Herrn und von seinem Geist (Eph.4,11). Die Bildung soll persönlich geschehen, nicht durch theoretische Kurse, sondern in dem man lernt das Evangelium zu erleben und die Führung Jesu zu verstehen. Mit bestimmten Ansprüchen an die Person als Richtschnur, denn auch Jesus prüfte die Leute, die Seine Jünger werden wollten, ob sie bereit wären den hohen Preis zu bezahlen.
Wird es zwischen solchen Kernen einen Zusammenhang, eine Ordnung geben? Für uns Menschen, die immer alles planen und organisieren wollen, wird es eine Haltung des Gottvertrauens fordern, indem wir das dem Herrn der Gemeinde überlassen, bis es soweit ist. Dauernde Abhängigkeit von der Führung Jesu und seines Geistes wird unentbehrlich bleiben. Wenn diese erschlafft wird sich sofort wieder die Gefahr ergeben, daß wir, Menschen, allmählich die Führung selbst wieder in die Hand nehmen. Herr halte uns bitte klein und demütig.
Frans Horsthuis, Der königliche Weg, S. 322-326