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Texte zur Reformation 2.0: Babylon Teil 1
Für den Nachfolger Jesu gibt es zwei grundlegende Systeme, die er unterscheiden muss, das babylonische System der Welt und das Reich Gottes. Das Babylonische Sytem ist das älteste gesellschaftliche System der Menschheit. Es begann nicht lange nach der Sintflut mit der ersten neuen Zivilisation. Gottes Wille war es, daß der Mensch seinem ursprünglichen Schöpfungsauftrag nachgeht: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan.“ (1.Mose 1,28) Doch schon in der dritten Generation lehnten sich die Menschen gegen den Auftrag Gottes auf und sagten „Wohlan, wir wollen uns eine Stadt und einen Turm bauen, und seine Spitze bis an den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Fläche der Erde zerstreuen!“ (1.Mose 11,4) Sie bauten den Turm zu Babel unter Nimrod, dem ersten Gewalt-herrscher und König der Erde. Zum Bau verwendeten sie erstmalig eine neue Methode, Ziegelsteine. Üblich war es bis dahin gewesen, Häuser aus natürlich belassenen Bruchsteinen zu bauen. Die Ziegelsteine wurden aus Lehm in Schablonen gleichmäßig geformt und dann getrocknet oder gebrannt. Menschliche Technik und Einheit machte es möglich, aus vielen Ziegelsteinen einen großen Turm zu bauen, sodass Gott mit einer Sprachverwirrung dazwischen fahren musste, um ihr Vorhaben zu stoppen. In dieser Geschichte gibt es Symbole, die uns einen Teil des Babylonischen Systems veranschaulichen:
1. Der Plan des Menschen gegen den Plan Gottes.
Der Plan Gottes war es, daß die Menschen sich auf der Erde zerstreuen sollten. Die Menschen verwarfen diesen Plan und hatten stattdessen einen eigenen Plan – sie wollten zusammenbleiben und sich „einen Namen machen.“ Dieses Muster sehen wir auch in der Geschichte der Menschen und der Gemeinde. Nicht nur Adam und Eva erhielten den Auftrag sich auf der Erde zu verteilen, auch Noah erhielt den selben Befehl (1.Mose 9,1). Im Neuen Testament greift Jesus ganz neu auf diesen Befehl zurück, in dem er zu seinen Jüngern sagt: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern …“ . Und so, wie die Sprachverwirrung bei den ersten Nachfahren Noahs dafür sorgte, daß die Menschen sich auf der Erde zerstreuten, so sorgte die erste Verfolgung der Christen in Jerusalem dafür, daß die Gläubigen in der damaligen Welt zerstreut wurden, um andere zu Jüngern zu machen.
2. Sich einen Namen machen wollen.
Die Menschen in Babel trachteten nach Bedeutung, sie wollten sich selbst einen Namen machen, statt den Namen Gottes zu erheben. Alle Weltreiche, die dem babylonischen folgten, hatten das Ziel, sich einen Namen in der Geschichte der Menscheit zu machen. Die Namensgebung zur Hervorhebung und Unterscheidung finden wir auch beim Entstehen christlicher Denominationen (lat. denominatio). Gemeinden mit gleicher Benennung und gleicher theologischer Ausrichtung bilden dabei einen Bund, um sich von anderen abzugrenzen und um eine gemeinsame Identität zu behalten. Jede Denomination hat üblicherweise zum Ziel, nicht nur das reine Evangelium zu verbreiten, sondern auch eine eigene Sonderlehre, bzw. eigene Lehrschwerpunkte weiter zu geben. Hier kommt die alte babylonische Sünde durch: „Wir wollen uns einen Namen machen, damit wir uns nicht zerstreuen und bedeutungslos werden.“
3. Das Bauen mit Ziegelsteinen.
Im Mittelpunkt Babylons stand der Wille, ohne Gottes Hilfe, in menschlicher Kraft und Fähigkeit etwas aufzubauen, was Bedeutung hat. Dabei bedienten sie sich nicht der geschaffenen Natur Gottes, sondern formten etwas Neues. Die Ziegelsteine waren ihr eigenes Werk, das ihnen ermöglichte noch höher und stabiler zu bauen, als es mit Bruchsteinen möglich war. Gepaart mit der Willenskraft und dem Geist der Einheit würde es ihnen möglich sein, ein großes Bauwerk zu erstellen. Der Bau mit vielen kleinen Steinen, die alle die selbe Form haben, ist ein Symbol für die von Menschen gemachte Organisation. Die Vereinheitlichung der einzelnen Bauteile ermöglichte eine tragfähige Struktur, die bis dahin nicht da gewesen war. Mit „uniformen Menschen“ wurden damals auch große Königreiche erschaffen und werden noch heute die großen Organisationen der Welt zusammengehalten. Die Berücksichtigung der individuellen Strukturmerkmale und der Natur des Menschen ist da hinderlich. Ziegelsteine sind ein Symbol für Unfreiheit und Sklaverei. Denken wir an die Zeit der Unterdrückung Israels in Ägypten. Tag für Tag mussten sie Ziegelsteine für die Häuser der Ägypter brennen.
Ganz anders Der Tempel in Jerusalem. Er wurde nicht nach menschlichen Ideen, sondern nach dem Plan Gottes gebaut. Dazu wurden keine uniformen Ziegelsteine verwendet, sondern unbehauene Steine, an die kein Hammer und kein Meißel zur Bearbeitung kommen durfte. (1.Könige 6,7) Die Gemeinde ist der Tempel des lebendigen Gottes.
Auch die Kirchenorganisationen der Menschheit haben sich mehr und mehr an das babylonische System angepasst und dessen Baustil übernommen. Um Heil zu erlangen, war und wird jeder Gläubige gezwungen eine vereinheitlichte Doktrin anzunehmen und den selben religiösen Ritus im Gottesdienst zu vollziehen. Die Individualität und Persönlichkeit muss aufgegeben werden, um im Gebäude der religiösen Institution einen Platz einzunehmen.
4. Der Ruf nach einem König.
Als erster König schaffte es Nimrod, durch den Einsatz von „Gewalt“ alle Menschen auf „einen gemeinsamen Nenner“ zu bringen. Als Gewalt definiere ich den Gebrauch von Dominanz und Manipulation, zwei Ursünden des Menschen, um Ziele zu erreichen und Menschen zu lenken. Nimrod war bestimmt ein „charismatischer Führer“, der auch durch Ausstrahlung und Begabung überzeugte. Während die Dominanz äußerlich zu erkennen ist, bleibt die Manipulation oftmals in der Organisation verborgen, sie ist aber nicht minder schädlich für eine gesunde Entwicklung. Diese Form von Gewalt ist auch heute die am weitesten verbreitete Methode in Unternehmen und Organisationen, um gesteckte Ziele zu erreichen.
Im 3. Jhdt. übernahm die „postkonstantinische Kirche“ die Struktur und Organisationsform des römischen Staates, weil sie sich als sehr effektiv erwiesen hatte. Die tiefste Wurzel der Macht des römischen Reiches geht jedoch auf das Vorbild Babylon zurück. In 1.Petr. 5,13 grüßt Petrus die „Miterwählte in Babylon“. Die Ausleger sind sich einig, daß damit die Gemeinde des ersten Jahrhunderts in Rom gemeint war, bevor sie sich mit dem Machtsystem des Staates vereinigte.
In erster Linie war es das Verlangen nach Sicherheit und Führung, was ein Volk veranlasste, sich der Hierarchie eines Königreiches zu unterwerfen. Die Israelten verlangten nach einem König, um Ruhe und Sicherheit zu haben, doch Gott selbst wollte ihr König sein, um ihnen das zu geben. Von den 39 Königen Israels und Judas wandelten nur 4 in den Geboten Gottes.
Nach dem Ableben der ersten Apostel ging die frühe Kirche aus Angst vor Irrlerhrern und inneren Konflikten bald daran, das babylonische Muster der Macht zu übernehmen. Sie übertrugen das weltliche Herrschaftssystem Roms auf die Gemeinde, in dem sie den monarchischen Episkopaten an die Spitze der Kirchenorganisation setzten. Er sollte Gott selbst unter den Gläubigen vertreten und das Ältestenkollegium wurde ihm unterstellt. Es bildete sich eine neue Kaste der „Kleriker“ heraus, die mit königlicher und priesterlicher Autorität ausgestattet wurde, während einfache Gläubige zu „Laien“ gemacht wurden. Bis heute finden wir diese Grundstruktur in den meisten Denomination wieder. Die hierarchische Struktur hat sich in den Gemeinde durchgesetzt, da es den vielen unmündigen Christen in ihr Sicherheit und Orientierung gibt. Es ist ihnen einfach zu anstrengend, allein und im Glauben von Gott abhängig zu sein und immer wieder neu nach direkter Führung durch Gottes Geist zu suchen. Und doch ist das der eigentümliche Stil des Königreiches Gottes, wo Jesus Christus ohne Hierarchie als König regiert. Jesus sagte: „Denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder…. Der Größte aber unter euch soll euer Diener sein.“ (Mt.23,8.11) Das Reich Gottes ist keine hierarchische Organisation mit eingesetzten Leitern auf verschiedenen Ebenen, sondern ein Reich mit Jesus Christus als persönlicher König und Priester.
Babel ist nicht nur eine Stadt im Alten Testament und ein Symbol im Neuen Testament, sondern es ist eine Mentalität, mit der Gott nichts zu tun haben will. Unter religiösem Deckmantel geht es ihr um menschliche Macht und nicht um Gottes Herrschaft. Der Mensch will aus eigener Kraft seine Pläne durchsetzen, anstatt Gottes Plan zu suchen. Das findet seinen Ausdruck im Sammeln und bauen nach dem Prinzip der Effektivität. Dabei geht es mehr um „Schein als Sein“ (Qualität). Nicht der Einzelne und die Liebe haben Priorität sondern die Funktionalität im Großen. Babylon ist eine Organisation, die ihre Abläufe streng überwacht und ihre Struktur auf Gewinnmaximierung ausrichtet und nicht auf den Menschen und auf Gott.
von Richard Schutty, 4.8.2014