Die Pilgerschaft der Gläubigen
„Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht erlangt, sondern sahen sie von fern und begrüßten sie und bekannten, daß sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien … Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist nach einem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet.“ (Hebr. 11.13.16)
Vor 336 Jahren schrieb der englische Baptistenprediger John Bunyan im Gefängnis das Buch „Die Pilgerreise zur seligen Ewigkeit“. Er musste eine zwölfjährige Haftstrafe im Bedfordshire County Gefängnis absitzen, weil er außerhalb der anglikanischen Staatskirche predigte. Als junger Christ hat seine Darstellung des Glaubensweges eines Christen einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Das Bild vom Pilger auf Erden bleibt auch in unserer Zeit ein guter Vergleich zur Nachfolge Christi – in letzter Zeit wurde ich mehrmach daran erinnert.
Das entscheidende bei jeder Pilgerschaft, ist nicht das Ziel, das angepeilt wird, sondern der Weg, den man auf der Reise zurücklegt. Seit gut einem Jahrzehnt ist es wieder populär geworden, den Jakobsweg nach Santjago de Campostella zu wandern. Ich habe einige Berichte von Pilgern gehört, die diesen Weg gegangen sind, übereinstimmend bezeugen sie, daß es der Weg sei, den sie gegangen waren, der sie verändert hat. Unterwegs waren sie Gefahren ausgesetzt, mussten Entbehrungen auf sich nehmen, mit Ausdauer durchhalten und nicht aufgeben. Dabei hatten sie Erkenntnisse gewonnen, neue Erfahrungen gemacht und sich selbst mehr kennengelernt. Am Ziel angekommen stellten sie dann fest, daß eine Erneuerung mit ihnen geschehen war. Ich bin überzeugt davon, das „auf dem Wege sein“ schafft die Veränderung in uns.
Jesus sagte einst: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich“. (Joh.18,6) Für mich, als Nachfolger Jesu ist das Kennzeichen meiner Pilgerschaft die tiefe Gemeinschaft mit meinem Herrn. Unterwegs mit ihm lerne ich ihn kennen, wie er wirklich ist. In den Herausforderungen, Gefahren und Nöten auf dem Weg meines Lebens geht er mir voran, er hilft mir und er zeigt mir, wie ich sie am besten meistern kann. Jesus ist der Meister meines Lebens, ich bin sein Schüler, mit ihm zusammen bin ich unterwegs, wie ein Wandergeselle. Schließlich führt er mich am Ende zum Vater, das weiß ich und wenn ich dort ankomme, bin ich schon verändert, in das Bild Jesu hinein. Nicht erst dort kommt die Veränderung, sondern auf dem Wege geschieht sie schon.
Immer wieder mal, wenn ich in einer stillen Stunde mein Leben betrachte, dann sehe ich meinen Pilgerweg vor mir. Ich bin unterwegs, nicht auf einer ausgebauten, breiten Straße, sondern auf einem schmalen Fußweg, der mal bergauf, mal bergab geht und manchmal auch steinig und uneben ist. Rückblickend sehe ich, wie ich, mit Jesu Hilfe viele Schwierigkeiten gemeistert habe und zum Teil schwere Prozesse durchstanden habe. An verschiedenen Stationen habe ich Halt gemacht, sie waren wie Etappenziele, Plätze, wo ich mich länger aufhalten konnte und Menschen traf, bei denen ich verweilte und mit denen ich zusammen aktiv wurde. Manche Leute traf ich schon unterwegs auf dem Weg, zusammen beschlossen wir, an einem Platz längere Zeit zu verweilen. Aber immer wieder kam die Zeit der Unruhe, wo ich spürte, daß ich weitergehen muss. Lange bin ich im Gespräch mit einzelnen, um sie zu bewegen, mitzukommen, dem Ziel entgegen. Die Gefahr dabei ist, daß ich mich in Gespräche und Aktionen verstricke, die mich festhalten wollen. Schließlich gelingt es mir wieder, mich loszureissen und weiterzuwandern. Das immer wieder neue Verabschieden erlebe ich als ziemlich schwierig. Nachdem ich dann aber doch eine gute Strecke weitergegangen bin, freue ich mich, daß ich es wieder einmal geschafft habe. Die Erinnerung an die letzte Station gerät mehr und mehr in Vergessenheit.
Die Gemeinde Jesu ist eine pilgernde Gemeinde, sie ist das Volk Gottes, das unterwegs ist. Sie baut sich keine Paläste, Tempel und Häuser, um darin bis ans Lebensende zu bleiben. Sie ist auf dem Weg, im Begriff von einem Ufer über eine Brücke an das andere Ufer zu gehen. Die vergangenen Jahrhunderte zeigen jedoch ein anderes Bild. Nachdem die von vielen erwartete Wiederkunft Jesu ausblieb und das christliche Leben durch zahlreiche Irrlerher immer mehr bedroht wurde, entwickelten die Christen ein starkes Bedürfnis, sich häuslich in dieser Welt niederzulassen. Sie bauten sich große und mächtige Häuser für die Versammlungen sammelten Schätze und sicherten das Gemeinschaftsleben im Diesseits mit vielen Regeln und Strukturen ab. Da blieb nicht mehr viel vom Charakter eines pilgernden Gottesvolkes übrig. Stattdessen etablierte sich der Hauptstrom der frühen Christen als Kirche und wurde zu einem herrschaftlichen Staat auf Erden. So konnten sie Jahrhunderte als Institution in irdischer Form überdauern. Ohne es zu bemerken, rutschten viele Gläubige durch diesen Wechsel zurück in die Welt und vergaßen schließlich ihr eigentliche Bestimmung als Volk Gottes.
Der echte Nachfolger Jesu ist ein Pilger, der auf einer Wanderschaft zum Jenseits unterwegs ist. Seine Heimat ist nicht mehr in dieser Welt, sondern in der zukünftigen, die kommen wird. Im Gespräch mit seinen Jüngern deutete Jesus mehrfach die Pilgerschaft an, in dem er sagte, dass sie „nicht von dieser Welt sind, aber dennoch in dieser Welt leben“ (siehe Joh. 17). Paulus meinte dasselbe, als er sagte: „und die die Welt Nutzenden, als benutzten sie sie nicht; denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“ (1.Kor. 7,31)
Wir müssen uns die Frage gefallen lassen, ob wir unser Christsein so leben, dass es mit einer solchen Pilgerreise vergleichbar ist. Sind wir noch aktiv „unterwegs mit Gott“, in Richtung des himmlischen Jersusalems. Oder haben wir uns häuslich niedergelassen und es uns komfortabel in dieser Welt eingerichtet. Der alte katholische Priester Frans Horsthuis, der mittellos 40 Jahre durch viele Länder Europas pilgerte, beschäftigte sich stark mit diesem Thema. In einem seiner Bücher schreibt er folgendes dazu:
„Gottes Volk ist berufen, ein wanderndes Volk geistlicher Nomaden zu sein. … Denn ich erwarte eine Kirche in fortwährender Bewegung, genau wie die Erzväter, die „bekannten, dass sie Fremdlinge waren auf Erden und dass sie ein Vaterland suchten… Sie verlangten nach einem besseren, einem himmlischen Vaterland“. In Bewegung wie das Volk Israel oder wie Jesus, der „nicht hatte wo Er sein Haupt hinlegen konnte“, oder wie die Apostel, Franziskus und viele andere.“ („Der königliche Weg“, S. 319)
Jeder Pilger ist letztlich allein auf seiner Wanderschaft nach Jerusalem. Er kann sich nicht auf einen christlichen Verband, sei es eine große Kirchenorganisation oder der Verein einer christlichen Gemeinde, berufen. „Er steht oder fällt dem eigenen Herrn“ (Röm. 14,4). Er muss für seinen eigenen Weg vor Gott Rechenschaft abgeben. Der Pilgerweg, den er durch sein Leben geht, ist letztlich der Weg seines eigenen Herzens – mit Gott und in Übereinstimmung mit Seinem Willen.
Richard Schutty
Die Bibeltexte sind allesamt der Rev. Elberfelder Übersetzung entnommen.
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