Die Apostolische Tradition 2
„Und die einen hat Gott in der Gemeinde eingesetzt erstens als Apostel, zweitens andere als Propheten, drittens als Lehrer …“ (1.Kor.12,28a)
Obwohl der Apostel Paulus ein echter Pionier war, besuchte er auf seinen Reisen durch das römische Reich in der Regel zuerst die Plätze jüdischer Religiosität. Er ging in die Synagogen und Gebetsstätten der frommen Juden in Damaskus, Antiochia in Pisidien, Ikonion, Derbe, Lystra, Philippi, Thessalonich, Beröa, Korinth, Athen, Ephesus und anderen Orten. Dort setzte er sich zunächst mit den gläubigen Juden am Ort auseinander. Nur in Athen suchte er eine heidnische Stätte, den Areopag auf, um dort mit den Philosophen der Stadt zu diskutieren. Egal, wo er hinkam, immer dann, wenn sich aufgrund seiner Predigten und Lehren Widerstand und Ablehnung zeigte, nahm er die Interressierten beiseite und unterwies sie gründlich in der Nachfolge Jesu an einem anderen Ort.
Die neuen Apostel unserer Zeit werden mit ihrer Mission ähnlich wie Paulus vorangehen. Sie gehen auch an Orte, wo sich Gläubige versammeln. Sehr oft treffen sie Christen in Gemeinden und Kirchen an, die in religiösen Traditionen gefangen sind und ihre Dogmen über das Wort Gottes und über die Wirkung des Heiligen Geistes stellen. Bei der Verkündigung der Botschaft vom Reich Gottes kommt es dann oft zur Konfrontation, bei der die erstarrten Strukturen erschüttert werden. Die kirchlichen Traditionen haben im Laufe der Jahrhunderte den klassischen Missionar hervorgebracht, dessen Aufgabe es ist zu den Heiden in ferne Länder zu gehen, um sie zum Glauben an Jesus Christus zu bekehren. Für die lokalen Gemeinden bekamen sie kein Mandat. Der Aufbau, die Verwaltung und die Belehrung der Gemeinden waren die Domäne der Bischöfe und Katecheten. Ihr Rahmen war eng abgesteckt durch die Dogmatik und das Kirchenrecht der jeweiligen Kirche und Denomination. Die Dienste nach neutestamentlichem Muster, wie wir sie in Eph.4, 11 finden, hatten darin keinen Platz und keinerlei Bedeutung. Durch das neue Wiedererwachen der apostolischen Tradition werden endlich wieder die Apostel, Propheten und Lehrer hervortreten und den starren religiös- traditionellen Rahmen sprengen. Der umfassende Auftrag, den Gott ihnen gegeben hat, ist eine apostolische Sendung, wie sie am Anfang der Gemeinde auch war. Diese beinhaltet nicht nur die Heidenmission, wie bei dem klassischen Missionar, sondern auch die Zurüstung und Auferbauung der Gemeinde. Es wird wieder eine aufregende Zeit, wie damals, als Paulus Verfolgung und Gewalt erlitt, weil er die religiöse Elite konfrontierte. Apostolisch sein bedeutet „gesandt sein“, mit einem Auftrag und einem Mandat.
Zurück zur ursprünglichen Bedeutung der neutestamentlichen Dienste
Das Wort Apostel kommt aus dem Griechischen und heißt „Gesandter“, genauso, wie das lateinische Wort Missionar. Der apostolische Dienst hat den Auftrag, das Reich Gottes in alle Lebensbereiche zu tragen, auch in den kirchlich- gemeindlichen. Die Verkirchlichung hat im Laufe der Jahrhunderte zu einer Verfälschung des apostolischen Begriffs geführt und das Wort Apostel durch die Bezeichnung Missionar neu interpretiert. Ähnlich war es mit dem „Aufseher“ (episkopos), der zum kirchlichen Bischof, also zum obersten Leiter der Hierarchie in der Kirche wurde. Ursprünglich stand er als Hirte zusammen mit den anderen Ältesten auf einer Ebene und hatte die Aufsicht über einen Teil der Gemeinde (1.Petr.5,2-3). Als Paulus sich mit den Ältesten von Ephesus in Milet traf, nennt er sie Aufseher (episkopos) und ermahnt sie, als gute Hirten die Herde zu weiden (Apg.20, 17.28). Alle drei sind identisch.
In der weltweiten Gemeinde Jesu ist seit mehr als 10 Jahren von der wiederhergestellten apostolisch- prophetischen Bewegung die Rede. Bei genauer Betrachtung habe ich festgestellt, dass diese Bewegung wieder dem alten System der institutionalisierten Bischofskirche dient und dabei den eigentlichen Charakter einbüßt. Sie kann deshalb nicht die falschen religiösen Strukturen und Dogmen reformieren, ja, sie verfestigt sie noch mehr.
Was Gott in unserer Zeit wiederherstellen wird, ist die ursprüngliche Art der mobilen Dienste, die sich wieder mit den falschen Systemen in und außerhalb der Kirchen auseinandersetzen werden. Dabei werden sie auf religiöse Mauern stoßen, die sie durchbrechen müssen, damit das frische und neue Leben des Heiligen Geistes wirken kann. Diese neue Bewegung wird sich an dem originären Muster der frühen Gemeinde in der Zusammenarbeit mit den Diensten orientieren. Das biblische Vorbild dafür ist in der Apostelgeschichte zu finden. Aber auch in den nachfolgenden Generationen waren diese Dienste im römischen Reich aktiv und können noch heute als Modell herangezogen werden.
Die Wurzeln echter apostolischer Wirksamkeit im frühen Europa
Im 4. Jhdt. erweckte Gott Patrick von Irland, der als Sohn eines römischen Offiziers in der römischen Provinz Britannien aufwuchs. Aufgrund eines persönlichen Berufungserlebnisses ging er 432 n. Chr. mit 24 Gefährten nach Irland und wirkte jahrzehntelang erfolgreich als Missionar. Er holte noch andere Missionare auf die Insel, gründete Kirchen, setzte Bischöfe ein und stiftete viele Klöster. Patrick wurde zum Begründer der iro-schottischen Kirche, die eine eigenständige Entwicklung neben der römisch- katholischen Kirche hatte, ohne starre Strukturen und Dogmen. Die Gläubigen gehörten zu einzelnen Klosterkirchen, die nicht einheitlich organisiert waren und keine Kirchenhierarchie hatten. Ähnlich, wie die frühchristlichen Gemeinden, breiteten sie sich dezentral aus und gehörten keiner übergeordneten Kirchenorganisation an. Die geistliche Autorität lag beim jeweiligen Klosterabt, der mit den Ältesten der Gemeinden zusammenarbeitete.
Überall im Land gab es solche „Klosternetzwerke“, bestehend aus Kloster und Gemeinden, in denen das Christsein in drei unterschiedlichen Stufen gelebt wurde. Zur ersten Stufe gehörten alle Gläubigen der Gemeinde, die mit ihren Familien ein meist bäuerliches Leben führten. In der zweiten Stufe bemühten sich im Zölibat lebende Mönche, die geistigen und geistlichen Schätze des Klosters zu verwalten. Sie legten großen Wert auf das Studium der Bibel und anderer Schriften, sodass Irland bald den Ruf bekam, die „Insel der Heiligen und Gelehrten“ zu sein. In der dritten Stufe waren Mönche, die bereit waren, als Missionare in andere Länder zu gehen und für Jesus zu sterben. Auf diesem gut vorbereiteten Grund entstand Anfang des 6. Jhdt. das Kloster Bangor, wo sich die Mönchsbewegung der iro- schottischen Kirche formierte, um die Missionierung des europäischen Festlandes anzustreben. Unter der Leitung von Abt Comgall absolvierten mehrere tausend Mönche eine missionarische Ausbildung und waren bereit, für Jesus ihr Blut zu vergießen. Das Kloster wurde später auch zu einem Zentrum der Buchproduktion.
Die iro- schottischen Apostel in Europa
Nachdem der Mönch Kolumban d. J. im Kloster Bangor in Irland ausgebildet wurde, zog er im Jahre 591 n. Chr. als ca. 50- Jähriger mit 12 Gefährten auf das europäische Festland. Von der Bretagne aus gelangten sie in das innere Frankenland der Vogesen. Der damalige König Childebert II. gab ihnen ein Stück Land und stellte sie unter seinen persönlichen Schutz, weil er sie wegen ihrer hohen Bildung achtete. In kurzer Zeit bauten sie drei Klöster nach iro- schottischem Stil auf und lebten nach strenger Regel in Askese, Gebet und Studium. Sie betonten handwerkliches Können und landwirtschaftliches Wissen, aber auch Rhetorik und Kunstsinnigkeit.
Im Franken des 6. Jahrhunderts war durch die vormals römischen Besatzer, die christlich- römische Frömmigkeit äußerlich etabliert. Hinter der frommen Fassade gab es in allen Gesellschaftsschichten Dekadenz und Sittenverfall. Franken war der bedeutendste Nachfolgestaat des 476 untergegangenen Weströmischen Reiches und hatte den Anspruch das Erbe der Antike in Europa fortzusetzen. Nach römischer Manier benutzte der König die Kirche als Machtinstrument und hatte Bischöfe und Fürsten unter seiner Kontrolle. Kolumban und seine Gefolgsleute genossen jedoch einen Sonderstatus, sie konnten sich außerhalb des katholischen Klerus und der Autorität der Reichsfürsten frei entfalten.
Die Konfrontation mit dem religiösen System in Franken
Die im 4. Jahrhundert durch Martin von Tours entstandene erste europäische Mönchsbewegung, hatte keine Kraft, um eine passende Antwort auf den Verfall des gesellschaftlichen Lebens zu geben. Die ernsthaft Gläubigen suchten in der Abgeschiedenheit der Klöster ihr eigenes Seelenheil. In diese Situation drangen die irischen Mönche ein und begannen ihre apostolische Tätigkeit zunächst unter dem traditionellen Christentum des Landes. Überall wo sie hinkamen verkündeten sie Enthaltsamkeit und Disziplin, prangerten Gewalttätigkeit, Wollust und Völlerei bei den weltlichen und geistlichen Fürsten an und forderten sie auf, gründlich Buße zu tun. Ihr Eifer bei der Verbreitung des strikten Frömmigkeitsstils brachte ihnen zunächst beim Volk und auch bei den höheren Ständen großes Ansehen. Gott benutzte die Mönche in ihrer Wildheit, um das Land aufzuwecken, damit es mit einem wachen Gewissen in das 7. Jahrhundert gehen konnte. Die Konfrontation folgte dann aber doch, als Kolumban sich weigerte die hierarchisch gegliederte fränkische Kirche als Obrigkeit für seine Klöster anzuerkennen. Gleichzeitig kam es zum Konflikt mit dem König wegen dessen unmoralischer Affäre. Als Kolumban sich weigerte, die außerehelichen Söhne des Königs zu segnen, wurde er schließlich 610 in die Verbannung gezwungen. Mit seinen irischen Gefährten, darunter Gallus, zog Kolumban in den Süden und blieb zwei Jahre in der Bregenzer Gegend. Es gelang ihm, die vom christlichen Glauben abgefallenen Einheimischen neu zur Buße herauszufordern. Im Jahre 613 gelangte er an seine letzte Station, Bobbio in Norditalien, wo er ein neues Kloster gründete und nach einigen Jahren sein Leben friedlich beenden konnte.
(Bibelstellen entsprechend der Rev. Elberfelder Übersetzung / Newsletter „Stärkung“ bestellen s. rechts)
Richard